Change Management: So nehmen Sie beim ERP-Projekt Ihre Mitarbeiter mit

Mit einem ERP-System legen Unternehmer die Weichen für langfristigen Erfolg im eigenen Business. Die wahre Herausforderung bei der Software-Einführung ist aber nicht die Technik, sondern der Mensch. Hier erfahren Sie, wie Sie Ihre Mitarbeiter bei einer ERP–Einführung einbinden, mitnehmen und warum ein professionelles Change Management die Voraussetzung für erfolgreiche IT-Projekte ist.

Menschen mitnehmen und nicht befehlen

Als Politiker zuletzt über die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie diskutierten ging es oft um die Frage: Setzt man auf Verbot oder Gebot, auf Apell oder Einsicht. Im modernen Change Management herrscht die Erkenntnis: Wer Änderungen nur mitteilt und dabei die Menschen und ihre Emotionen vergisst, der riskiert das Scheitern. Es wäre ein großer Fehler bei der Einführung eines ERP-Systems sich nur auf die Software zu fokussieren.

Was die Unternehmenskultur mit der Einführung eines ERP-Systems zu tun hat

Bei der ERP-Einführung spielt die Unternehmenskultur eine fundamentale Rolle. Als Spiegel der Wertvorstellungen und Handlungsweisen der Mitarbeiter prägt sie, wie interne und externe Herausforderungen und Veränderungen gemeistert werden. Das gilt auch für IT-Projekte. Mit einem neuen ERP-System verändert sich der Arbeitsplatz der Mitarbeiter, gewohnte Abläufe verschwinden, neue Aufgaben kommen hinzu. Mit ihnen verändern sich die Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter. Und auch die steigende Transparenz kann herausfordern. Mitarbeiter reagieren unterschiedlich und haben individuell verschiedene Erwartungshaltung gegenüber dieser Neuerung. Nehmen Sie daher die Emotionen und die Bedeutung des Verhaltens Ihrer Mitarbeiter ernst, betrachten Sie die Komplexität der Abläufe und Routinen und erkennen Sie Ihre Mitarbeiter und deren Emotionen als relevanten Faktor für eine erfolgreiche ERP-Einführung an.

Praxisbeispiel: Vergessener Faktor Mensch – wie ein Traditionskonzern fast scheiterte

Immer weniger funktionieren klassische Methoden, wenn sie nicht auch auf die Beteiligung von Mitarbeitern setzen. Das zeigte das Beispiel von Siemens, als 2014 im Gasturbinenwerk Berlin-Moabit eine neue Fertigungslinie aufgesetzt werden sollte. Das präzise durchgeplante Millionenprojekt stockte, trotz detaillierter Prozessstrukturen und etablierten Projektmanagement-Methoden. Der Grund: Vergessen wurde der Faktor Mensch. Erst als die betroffenen Mitarbeiter im Change Prozess beteiligt wurden, konnte das Projekt zügig und erfolgreich abgeschlossen werden. Inzwischen hat die Konzernzentrale für Siemens Energy dort ihren Sitz.

Tipp: Seien Sie sich über mögliche Emotionen im Rahmen des Einführungsprozesses bewusst: So vielfältig die Menschen in Ihrem Unternehmen sind, so unterschiedlich reagieren sie – mit Ängsten, Hoffnungen, oder Erwartungen an ein ERP-System. Das A und O ist dabei eine gute interne Kommunikation.

Stellen Sie sich dazu folgende Fragen:

  1. Was denkt Ihre Belegschaft über die anstehende ERP–Einführung im Unternehmen – sind die Mitarbeiter neugierig und freuen sie sich auf die Veränderungen?
  2. Sind Ihre Mitarbeiter eher ängstlich gegenüber Neuerungen, auch in Bezug auf die alltägliche Arbeit?

So bereiten Sie sich auf die emotionalen Phasen der Mitarbeiter bei eine ERP- Einführung vor

Um sich die emotionalen Phasen der Mitarbeiter bewusster zu machen hilft es, sich am Hype-Zyklus zu orientieren. An dieser Kurve orientieren sich auch Technologieberater, denn der Cycle zeigt die unterschiedlichen Phasen, wenn neue Technologien öffentliche Aufmerksamkeit erfahren.

Phase 1: Der technologische Auslöser – Schürt Ängste oder Hoffnungen

Mit der Ankündigung einer großen Veränderung, einem Change Prozess, drängen sich bei Mitarbeitern häufig negative Emotionen in den Vordergrund: Durch die Information, dass eine umfangreiche Software-Einführung ansteht, könnte die Angst vor dem Verlust gewohnter Routinen hervorgerufen werden.

Während die einen Mitarbeiter Veränderungen prinzipiell eher negativ gegenüberstehen, ist die Gefühlslage bei anderen vielleicht eher zwiespältig oder sogar positiv. Es gibt auch Mitarbeiter, die erwartungsvoll in die Zukunft blicken und plötzlich sehr große Hoffnungen gegenüber einer neuen Software wie einem ERP-System entwickeln – eröffnen sich dadurch doch enorm viele Möglichkeiten. Diese „offenen“ Mitarbeiter sehen vor allem die Vorteile, wie sich Abläufe einfacher, die Zusammenarbeit im Alltag unkomplizierter gestalten könnte. Sie überspringen einfach die Phase der negativen Gefühle.

Tipp: Gehen Sie daher schon im Vorfeld in den Austausch mit allen Mitarbeitern, informieren Sie sich über Hoffnungen und Erwartungen, die Ihre Mitarbeiter gegenüber einer ERP-Einführung haben und beziehen diese Informationen in den gesamten Change Prozess ein.

Tipp: Versuchen Sie schon im Vorfeld und über den gesamten Einführungsprozess hinweg Informationen zu geben und so zu kommunizieren, dass auch negativ gestimmte Mitarbeiter überzeugt sind, indem Sie der ganzen Belegschaft das Best-Case-Szenario vorstellen, ebenso wie Sie transparent mögliche Fallstricke aufzeigen. Außerdem sollten Sie darauf achten, dass Ihr Implementierungspartner über Erfahrungen im Change Management verfügt und Sie mit entsprechendem Know-How im Projektablauf unterstützt.

Phase 2: Der Gipfel der überzogenen Erwartungen – Heilsbringer ERP-System

Gelingt es sehr schnell durch gute interne Kommunikation und ausreichend relevante Informationen die Mitarbeiter mitzunehmen und eine positive Grundeinstellung für das anstehende Projekt zu schaffen, dann sind Sie auf einem sehr guten Weg. Nun kann ein gemeinsamer Spirit durch die positive Aufbruchstimmung kreiert werden, was emotionalisierend wirkt und auch die Bindung an den Arbeitgeber stärken kann.

Vorsicht: Die Übergänge zwischen den Phasen sind fließend. Trotz positiver Stimmung: Bleiben Sie wachsam! Hier kann sich schnell eine eigene Dynamik entwickeln. Gerade wenn Zweifel verschwinden, kann das in übertriebene Hoffnungen abdriften. Dann ist die Gefahr groß, dass sich die ausgemalten Erwartungen nicht erfüllen und die Enttäuschung in Demotivation kippt und wie ein Bumerang zurückkehrt.

So steuern Sie zu hohen Erwartungen entgegen:

  • Bereiten Sie Ihre Mitarbeiter mit konkreten Beispielen aus dem Arbeitsalltag darauf vor, was sie erwartet und wohin sich die Organisation mit den neuen Möglichkeiten entwickeln will.
  • Zeigen Sie die Schritte auf und wie Sie nach und nach vorgehen werden.
  • Machen Sie das gemeinsame Ziel konkret deutlich: An welchen Stellen kann das ERP-System dazu beitragen? Wie zahlt ein ERP-System auf die langfristige Strategie ein?
  • Kündigen Sie Schulungen an und bereiten Sie jene Abteilungen darauf vor, wenn diese von den Veränderungen besonders stark tangiert sein.

Tipp: Entwerfen Sie daher immer konkrete und realistische Szenarien. Suchen Sie Beispiele, wie das Arbeiten danach aussehen könnte, um diffusen Traumbildern entgegenzuwirken. Holen Sie dafür am besten aus verschiedenen Abteilungen Mitarbeiter mit Ihren Projektmanagern an einen Tisch, denn eine Kommunikationsstrategie ist die Basis eines guten Projektmanagements und gehört dazu.

Phase 3: Das Tal der Desillusion – Ernüchterung reduzieren und Orientierung geben

Je bewusster Phase 2 gestaltet wurde, desto unproblematischer wird Phase 3 ausfallen. Hier offenbart sich die Realität – in dieser Phase stellt sich im täglichen Umgang mit dem ERP-System heraus, welche neuen Workflows etabliert werden müssen. Weil das Arbeiten mit dem neuen ERP-System noch ungewohnt ist und der ein oder andere Ablauf noch nicht reibungslos funktionieren wird, kann in dieser Phase notwendig sein, nochmal gezielt zu kommunizieren und Orientierung zu geben.

Tipp: Im besten Fall wissen die Mitarbeiter schon von Anfang an, welche Schritte bei der Einführung dazugehören und können damit umgehen: Sonst kündigen Sie spätestens jetzt an, wie sich die Übergangsphase (beispielsweise mit zwei IT-Systemen gleichzeitig) gestalten wird und welche Schritte dann folgen.

Tipp: Außerdem können Mitarbeiter ausgewählt werden, um das neue System zu testen, auch um in Zusammenarbeit mit dem Entwicklerteam Dinge zu verbessern und an die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen.

Phase 4: Der Pfad der Erleuchtung – die Veränderung lohnt sich

Diese Phase zeigt nach der vorangegangenen Durststrecke erste Erfolge, die Prozesse und die neuen Abläufe funktionieren erstmals reibungslos und es zeichnet sich ab, dass mit mehr Routine auch mehr Leichtigkeit im Umgang entstehen wird.

Tipp: Wenn Sie sich für ein modernes Cloud ERP-System entschieden haben, bietet es sich an, nicht Knall auf Fall das ganze System zu erneuern, sondern nach und nach ausgewählte Module wie beispielsweise Warenwirtschaft oder Finanzbuchhaltung freizuschalten. Das schrittweise oder auch agile Vorgehen überfordert Mitarbeiter nicht, sondern bietet ausreichend Gelegenheit sich an das neue System zu gewöhnen und die neue Arbeitsweise zu beobachten.

Phase 5: Das Plateau der Produktivität – das Ziel ist erreicht

In dieser letzten Phase ist der Umgang mit der neuen Software routiniert. Die Technologie ist inzwischen im Unternehmen etabliert, das Arbeiten ist durch die Vernetzung auch mit Lieferanten besser und schneller geworden. Der Kundenservice hat sich zudem so verbessert, dass sogar in Richtung neuer Produkte, Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen weitergedacht werden kann. Das ERP-System bringt für sämtliche Zielgruppen in dieser Phase sichtbare Vorteile. Vor allem für das eigene Unternehmen, sofern die zentrale Strategie mit den datenbasierten Erkenntnissen Hand in Hand geht.

Die Vorteile des ERP-Systems zeigen sich deutlich, da sich Probleme und Erfolge in Zahlen messen und darstellen lassen. Dadurch ist aber auch eine neue Form von Transparenz im Unternehmen entstanden: Was ihre Mitarbeiter tun ist jetzt deutlicher erkennbar, die Effizienz kann durch Maßnahmen optimiert werden, aber das kann auch bei vielen Mitarbeitern ein Gefühl der Überwachung erzeugen.

Tipp: Kommunizieren Sie weiterhin und erhalten Sie sich den positiven Spirit: Grundlage dafür bildet die gemeinsame Strategie, auf die alle gemeinsam hinarbeiten. Diese konkreten Ziele sind dann nicht mehr so bedrohlich und mit Kontrolle assoziiert.

Tipp: Fördern Sie eine Kultur des Miteinanders und stellen den Teamgedanken stärker in den Mittelpunkt. Für die nun messbaren Prozesse ist nicht ein einzelner Mitarbeiter verantwortlich, es geht vielmehr um die gemeinsame Anstrengung, die Performance des Unternehmens zu steigern. Interessant ist, dass dadurch auch häufig die Motivation des Einzelnen steigt.

Tipp: Sensibilisieren und schulen Sie Führungskräfte hin zu einer neuen Fehlerkultur.

Fazit

Bei der Einführung eines ERP-Systems geht es um mehr als nur um Projektmanagement und technisches Know-how. Die Einführung ist ein umfassender, aber lohnender Change Prozess, der das gesamte Unternehmen und seine Abläufe betrifft und natürlich die Mitarbeiter. Mit einem professionellen Change Management werden auch die psychologischen Faktoren und die Menschen bedacht, denn nur, wenn diese das neue ERP-System mittragen und die Prozesse gemeinsam gestalten, kann sich der Erfolg für Ihr Unternehmen einstellen. Denn Emotionen sind die stärksten Treiber, aber auch die größten Erfolgshebel bei der Einführung einer neuen Software.

Erfahren Sie, aus welchen Gründen ERP-Projekte fehl schlagen können.