Lean Production und ERP-Systeme – Effiziente Fertigung durch smarte Integration

Aktualisiert: 25. Oktober 2023

10 min.

Haufe Redaktion Produktion

Unabhängig von der Produktionsmethode ist es für die Fertigungsindustrie elementar, die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Fertigung stetig zu optimieren. Lean Production oder Lean Management – also eine schlanke Produktion – können das Bemühen unterstützen, Effizienzsteigerungen in der Produktion zu realisieren. Ob die Integration des Lean Production-Prinzips in ein modernes ERP-System Erfolg versprechend ist, erfahren Sie hier.

Grundlagen von Lean Production

Kaizen, Kanban, Toyota Production System (TPS): Die Diskussionen rund um die „schlanke Produktion“ schießen schnell ins Kraut. Grund dafür sind viele unterschiedliche Begriffe, die rund um die Lean-Prinzipien in der Fertigung kursieren. Das sorgt schnell für Verwirrung. Deswegen ist es – gerade für Anfänger – sinnvoll, sich mit der Begriffswelt vertraut zu machen. Die Grundlagen der Lean Production sind rasch erläutert. Grundsätzlich gilt: Der Terminus Lean Production beschreibt einen Teilbereich des übergeordneten Lean Managements.

Kaizen nennt sich die aus Japan stammende Philosophie einer kontinuierlichen Verbesserung. Das Prinzip: Kleine Veränderungen an bestehenden Prozessen münden in einer Null-Fehler-Strategie.

Kanban ist eine Methode des Lean Managements. Um Lagerbestände möglichst gering zu halten, werden Material und Produkte nur dann bestellt oder gefertigt, wenn sie auch benötigt werden.

Toyota Production System (TPS) – der japanische Automotive-Gigant gilt als Ursprung des Lean Thinking. TPS wurde von Taiichi Ohno in den 1950er-Jahren entwickelt und setzt auf schlanke Produktionsprozesse nach dem Pull-Prinzip. Produziert wird nur das, was bestellt wurde.

Ist Lean Production das gleiche wie Lean Management?

Im Fokus eines Lean Managements – also einem schlanken Management – stehen alle Methoden, Denkweisen und Werkzeuge, über die ein Unternehmen verfügt. Verankert ist das Lean Leadership sowohl in der Organisation als auch in der Produktion eines Unternehmens. Ziel des Lean Managements ist es, mithilfe von optimierten Prozessen den Bedarf an Ressourcen und Zeit zu begrenzen. Vereinfacht gesagt, sollen anspruchsvolle Produkte im Ergebnis mit weniger Aufwand hergestellt werden. Lean Management erstreckt sich auf folgende Bereiche:

  • Personal
  • Material
  • Infrastruktur
  • Flächen
  • Entwicklungs- und Produktionszeit

Lean Production ist aber nur ein Teilbereich des Lean Managements – mit dem besonderen Fokus darauf, die Verschwendung im Unternehmen zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität zu verbessern. Der Fokus des Lean Managements liegt demnach auf der Wertschöpfung und weniger auf den Arbeitsläufen oder Materialverlusten. Idealvorstellung sind optimierte Prozesse auf der Grundlage reibungsloser Material- und Informationsflüsse im Unternehmen. Im Ergebnis erhöhen die Effekte einer Lean Production den Kundenwert durch eine schnellere, kostengünstigere Produktion mit höherer Qualität.

Grundlage der Lean Production ist die enge Einbindung der Beschäftigten. Über das individuelle Know-How der Mitarbeiter lässt sich Verbesserungspotenzial identifizieren. Eine zielorientierte Führung fördert diesen Prozess ebenso wie Standardisierungen und die Anwendung des Null-Fehler-Prinzips (Kaizen).

Insgesamt liegen der Lean Production sieben verschiedene Methoden und Prinzipien zugrunde:

  • Werteorientierung
    Kundenwert und Kundenbedürfnisse stehen im Zentrum der Bemühungen. Ziel ist es, Mehrwert zu schaffen.
  • Flussorientierung
    Angestrebt wird eine kontinuierliche Produktion ohne Unterbrechungen.
  • Pull-Prinzip
    Produziert wird nur, wenn entsprechende Bestellungen vorliegen.
  • Perfektion
    Ziel ist es, ständige Verbesserungen und Optimierungen herbeizuführen.
  • Null-Fehler-Prinzip
    Fehler sollen vermieden oder zumindest frühzeitig erkannt werden. Fehler werden als Lernprozess betrachtet.
  • Mitarbeitereinbindung
    Beschäftigte werden aktiv in die Prozesse eingebunden und sollen Verantwortung übernehmen.
  • Lieferanteneinbindung
    Durch die Einbindung von Lieferanten wird eine reibungslose Produktion sichergestellt.

Verschwendungsarten

Die Lean-Methoden verfolgen das Ziel der Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Mithilfe eines schlanken Managements ist ein verschwenderischer Umgang mit Ressourcen in allen Unternehmensbereichen unbedingt zu vermeiden. Zur Identifikation möglicher Ressourcenverschwendung bedient sich Lean Production des sogenannten Muda-Prinzips. Der Begriff Muda stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie „Verschwendung“ oder „Müll“. Muda tritt in sieben Ausprägungen auf, die mit dem Akronym „TIMWOOD“ (Transport, Inventory, Motion, Waiting, Overproduction, Overengineering, Defects) abgekürzt werden.

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Abhilfe
Sieben Arten der Verschwendung

Lokalisiert wird Muda häufig in Form eines „Waste Walks“. Dabei handelt es sich um eine strukturierte Begehung der Arbeitsplätze und eine analytische Betrachtung tradierter Arbeitsabläufe, um die Ursachen von Verschwendung zu erkennen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Synergien zwischen Lean Production und ERP

Lean Production und ERP-Systeme – auf den ersten Blick scheint ein derartiges Unternehmensmanagement nur schwerlich miteinander vereinbar zu sein. Verfechter der Lean-Prinzipien sehen in ERP-Systemen als zentrale Datenquelle zusätzlichen Ballast. Die Kritik: ERP-Systeme seien starr und wenig flexibel. Häufig wären unnötige Prozessschritte erforderlich. Daraus entstünde beispielsweise die Verschwendung von Arbeitskräften und Zeit. Damit spielen Kritiker darauf an, dass bei ERP-Systemen immer wieder Vorgänge im System gebucht werden müssen. All das entspräche nicht den Vorstellungen einer Fertigungsoptimierung nach dem Lean Management-Prinzip. Ziel der Lean Production sei es schließlich, Verschwendung zu minimieren und Erfolge zu maximieren.

Ein Blick auf die Praxis zeigt: Eine vollständige Verbindung von Lean Production und einem ERP-System findet sich nur selten. Bislang nutzen Unternehmen beide Systeme meist nebeneinander. Ein Zusammenschluss findet nicht statt, um die Prozesse schlank zu halten. Und so übernehmen beide Systeme getrennte Aufgaben. Doch gerade das widerspricht dem Sinn moderner ERP-Systeme. Sie sind so konzipiert, dass alle Unternehmensbereiche erfasst und abgebildet werden. Nur so lässt sich eine ganzheitliche Übersicht und Steuerung realisieren. Werden einzelne Abteilungen nicht in der zentralen Datenquelle abgebildet, dann ergeben sich Auswirkungen auf das Gesamtbild. Beeinflusst wird beispielsweise die Aussagekraft von Echtzeitinformationen. Die Folge: Das ERP-System schöpft sein Potenzial nicht aus.

Valide Datenbasis als Schlüssel zum Erfolg

Dieser weit verbreiteten Unvereinbarkeit von Lean Production und ERP-Systemen liegt eine grundsätzliche Fehleinschätzung zugrunde. Mögliche Synergieeffekte beider Systeme werden in der Betrachtung erst gar nicht erörtert. Zunächst einmal ist es nicht Sinn und Zweck eines ERP-Systems, Prozesse aufzublähen und komplizierter zu machen. Vielmehr zielt eine effiziente Datennutzung darauf ab, Überflüssiges (Verschwendung) zu erkennen und zu einer kontinuierlichen Verbesserung zu führen.

Stichwort effiziente Datennutzung: Vor allem die Echtzeit-Datenerfassung und -Analyse ist geeignet, um Engpässe, unnötige Bestände und ineffiziente Prozesse zu identifizieren. Auf dieser Grundlage erhält Muda eine Echtzeit-Funktion. Im Bereich Ressourcenallokation ergeben sich weitere Synergien. Die Verbindung von Lean Production und ERP verbessert die Zuweisung von Ressourcen. In der Folge verbessert sich die Auslastung von Arbeitskraft, Maschinen und Materialien. Auch der Bereich Prozessautomatisierung profitiert von einem Lean-ERP. Die Automatisierung von Prozessen spart nicht nur Zeit, sie minimiert auch die Fehlerquote. Hinzu kommt: Durch eine effizientere Koordination werden Bestellprozesse und der Materialfluss optimiert.

Deutlich wird: Das Ziel der kontinuierlichen Verbesserung erhält eine valide Datenbasis, wenn Unternehmen Lean Production und ERP-Lösungen zusammenführen. Auf dieser Grundlage erlangen kontinuierliche Verbesserungen von Abläufen und der Einsatz von Ressourcen ein neues Niveau, das sich auch auf die strategische Ausführung auswirkt, denn: Strategische Entscheidungen lassen sich in operative Abläufe übersetzen, um übergeordnete Ziele zu erreichen.

Herausforderungen und Lösungen

Grundsätzlich gilt: Die Prinzipien einer Lean Production und die Möglichkeiten eines cloudbasierten ERP-Systems lassen sich miteinander verbinden. In der betrieblichen Praxis profitieren beide Ansätze voneinander. Die beschriebenen Synergien zwischen Lean Production und ERP-System führen zu einer integrativen Lösung – gewissermaßen einem „Lean ERP“. Im Ergebnis führt dies zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigem Wachstum dank:

  • Schlanker Prozesse
  • Effizienter Datennutzung
  • Optimierter Fertigung

 

Auf der praktischen Ebene ist zu konstatieren, dass die Anpassung des ERP an Lean-Prinzipien kulturelle Veränderungen im Unternehmen mit sich bringt. Auf dem Weg in ein „Lean ERP“ entstehen neue Prozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Mitarbeiter durch Schulungen und mit Weiterbildungsangeboten einzubinden. Voraussetzung für die Implementierung der Lean-Anforderungen in das ERP sind neben der Auswahl des passenden ERP-Anbieters, vor allem eine akribische Planung und eine klare Kommunikation.

Vorteile und Ausblick

Um ein tragfähiges Gesamtkonzept aus Lean Production und ERP zu entwickeln, ist es erforderlich, die Lean-Prinzipien auf den ERP-Bereich zu adaptieren. Gleichzeitig müssen die ERP-Lösungen an den Lean-Prinzipien ausgerichtet werden. Veränderungen wie diese sind geeignet, langfristige Erfolge abzusichern und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu verbessern. In Verbindung mit steigender Agilität und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens eröffnet der Bereich Machine Learning den Einstieg in ein ERP, das die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) ausschöpfen kann.

Vorteile eines „Lean ERP“ im Überblick:

  • Lieferzeiten verkürzen
  • Qualität erhöhen
  • Verschwendung eliminieren
  • Produktionsfluss optimieren
  • Prognosen präzisieren

 

Tipps zur Umsetzung

Für produzierende Unternehmen ist die Integration von Lean Production in ein ERP eine wichtige Maßnahme, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Kombination von schlanker Produktion mit gut aufbereiteten und vernetzten Informationen verspricht unternehmensübergreifende Erfolge in einem kontinuierlich enger werdenden Wettbewerb.

Die Einführung entsprechender Prinzipien sollte schrittweise erfolgen. Auf diesem Weg sind die Mitarbeiter eng einzubinden. Ziele müssen klar formuliert werden. Für nachhaltige Erfolge kommt der Auswahl eines passenden ERP-Anbieters eine zentrale Bedeutung zu. Als führender ERP-Anbieter berät Sie Haufe X360 bei der Realisierung eines maßgeschneiderte „Lean ERP“.